Wink mit dem Zaunpfahl

Gestern fragte mich mein Ältester ganz unvermittelt: „Was ist los mit dir? Seit Mai lese ich beim Herrn Platte zum Stein nichts Neues mehr. Ist er im Urlaub? Oder am Ende?“

Nein, am Ende ist der Herr Platte nicht. Ihm gefällt vielmehr sein Urlaub so gut, dass er diesen bis auf weiteres verlängert hat. Und so nutze ich die Zeit für eine Rundumerneuerung seiner bescheidenen Behausung.

Zugegeben die Renovierung des Blogs müsste schneller über die Bühne gehen! Um diese Feststellung zu untermauern, erreichte mich heute dazu eine Mail eines Lesers vom Herrn Platte zum Stein. Er schickte mir einen Link zu einer bis zum Ende dieses Monats laufenden Blogparade. Darin ruft Alexandra Steiner die Bloggergemeinde auf über den eigenen Blog, die dahinterstehende Motivation und über Leserreaktionen zu schreiben.

Dann fange ich doch an und verbinde das eine mit dem anderen. Die Renovierung und der Blog des Herrn Platte zum Stein. Der Name ist ein Kunstprodukt, in dem eine Menge persönlicher Eigenschaften und Eigenheiten des Schreiberlings, also meiner Person, eingeflossen sind und immer wieder aufs Neue einfließen werden.

Von klein auf fand ich Gefallen am gesprochenen Wort. So intensiv, dass ich in so manchen Erinnerungen noch heute die Stimmen und die damit verbundene Stimmung der Sprecher zu hören glaube. Vor allem galt ich als ein Kind, das aufmerksam seine Umwelt beobachtet und sich jeden Mist merken kann. Allerdings tat ich mich später in der Schule mit dem Lernen in den naturwissenschaftlichen Fächern recht schwer. Denn, wann immer mir etwas nicht einleuchtete, blockierte ich innerlich und schaltete auf Durchzug. Eine Eigenschaft mit der ich mich selbst im späteren Studium herumgequält habe.

Nach einem folgenschweren Unfall entdeckte ich die Liebe zum geschriebenen Wort. Zuerst als Selbsttherapie. Dann, mit zunehmender Sicherheit, entschloss ich mich den Stier bei den Hörnern zu packen und die Lust an der Sprache mit der Freude am Schreiben zu verbinden. Ich hatte das Glück in der Nachwendezeit ein Volontariat bei einem Berliner Privatsender zu ergattern und diese Ausbildung erfolgreich abschließen zu können. Schnell zeigte sich, dass ich nicht zum Unterhalter tauge, sondern ein Mann der Worte bin. Eine Eigenschaft, die mir auch später, nach meiner Zeit als Programmleiter, in der Öffentlichkeitsarbeit und als freier Mitarbeiter bei Tageszeitungen nie geschadet hat. Mittlerweile bin ich leider aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, widme mich ganz meine häuslichen Pflichten und meiner Schreibwerkstatt.

Das Wichtigste beim Schreiben für meinen Herrn Platte zum Stein sind seine Leser. Und damit stellt sich die Frage nach dem Inhalt des Blogs. Herr Platte zum Stein meidet, wenn ihm nicht die Hutschnur zu reißen droht, die großen Themen der aktuellen Tagespolitik. Sie gehören in die Tagespresse, ins Fernsehen und Radio. Hier sind sie zuhause. Herr Platte zum Stein will hingegen das tägliche Kleinklein aus seinen Untiefen hervorholen. Und das an seiner Person, in der ich mich als sein Schreiberling spiegele. Dahinter stecken also meine Erfahrungen, dass sich die vermeintlichen großen Themen, ganz schnell in die eigene, subjektive Erfahrungswelt übertragen lassen und sie sich hier – gewissermaßen auf der persönlichen Ebene - erst in aller Deutlichkeit zeigen.

Mit anderen Worten: In jeder noch so vermeintlichen Banalität steckt ein zündender Funken. Man muss ihn nur finden. Ich werde nie ein Seminar vergessen, indem uns ein Auslandskorrespondent dazu aufforderte eine lebendige Reportage über eine ausgestorbene Berliner Seitenstraße zu schreiben. Das einzig auffallende in dieser Abgeschiedenheit war ein Straßenkehrer der Berliner Stadtreinigung. Wir waren angesichts der Stille und Trostlosigkeit ratlos. Erst als der Seminarleiter den Mann freundlich aufforderte den Gullydeckel zu öffnen, den versenkten Kasten herauszunehmen und seinen Inhalt auf die Straße zukippen, verstanden wir die rustikale Botschaft: „Traut Euch. Oft verbirgt sich Interessantes unter der Oberfläche!“ Sofort schwärmten wir in alle Richtungen aus. Einige gingen in Geschäfte oder suchten aufs Blaue hin Wohnungen auf. Eine Teilnehmerin entdeckte so einen versteckt liegenden Kinderladen, ein anderer eine Moschee in einem Hinterhof. Jeder kehrte am Ende des Vormittages mit seiner Geschichte im Kopf und seinen Notizen zurück.

So lernte ich meinen Eingebungen zu folgen. Zum Beispiel beim Spazierengehen, beim Einkaufen oder in einer Warteschlange. Dies sind die Momente, die mich aus dem grauen Alltag herausreißen und mich zum Nachdenken verführen. So wie bei Herrn Platte zum Stein eine piepsende Kolonie im Winterwald, blühende Gänseblümchen im Schneeregen oder das Auftauchen eines bunten Kopftuches im Supermarkt.

Bisher legte Herr Platte zum Stein sichtbar wenig bis gar keinen Wert auf Rückmeldungen aus der Leserschaft. Das ist unschwer aus dem Seitenaufbau des Blogs zu erkennen. Wir verzichten bisher auf eine Blogroll. Nicht, dass wir uns über Kommentare, Mails oder Abos nicht freuen würden. Ganz im Gegenteil! In unserer sommerlichen Auszeit wurde uns klar, dass wir unsere Leser bisher zu wenig herausfordern und ihnen zu wenig für Augen und Ohren bieten. Das wollen wir ändern, daran arbeiten wir.

Nichts desto trotz ist uns klar, dass vor allem aber die Inhalte das Salz in der Suppe sind und nicht die Verpackung. So nutzen wir, noch in altem Gewand, die Blogparade und tauchen aus der hochsommerlichen Schwüle auf.

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