BSE, jetzt Gemüse – Wann wachen wir endlich auf?

Heute früh, wie in der vergangenen Woche, immer das gleiche Bild im örtlichen Supermarkt. Kaum ein Kunde ist an der Gemüsetheke zu sehen. Salatgurken – Fehlanzeige! Lediglich einige wenige Tomaten und Salatköpfe aus deutschen Landen sind zu erblicken. Die Warnung des Robert-Koch-Institutes (RKI) vor dem Rohverzehr dieser Gemüsearten hat auch die letzten Zipfel der Republik erreicht. Die Angst vor Infektionen mit dem Erregerstamm Escherichia coli sitzt tief. Natürlich hat auch mich die Sorge voll erfasst. Zumal - laut RKI - nicht auszuschließen ist, dass auch andere Lebensmittel, neben den Salatgurken, Tomaten und Blattsalaten, als Infektionsquellen in Frage kommen können.

Ob die Gurken verunreinigt aus Spanien auf den deutschen Markt kamen, wie die Hamburger Gesundheitsexperten feststellten, oder erst im Hamburger Großmarkt, nach spanischer Lesart, verseucht wurden, spielt für mich keine Geige. Denn egal, wie man die Gurken wendet, ob sie nun in Spanien oder in Deutschland angebaut wurden, die Schuldfrage lenkt vom eigentlichen Problem, der Produktionsweise unserer Lebensmittel, ab und schützt damit den eigentlichen Verursacher, die Agrarindustrie.

Dabei spielt die Frage in welchem Land das Gemüse verseucht wurde keine Rolle. Viel wichtiger ist die Frage, wo das Bakterium Escherichia Coli entsteht? Im Darm von Wiederkäuern. Und so erklärte der Bakteriologe Prof. Jürgen Heesemann vom Max von Pettenkofer-Institut an der LMU München am vergangenen Donnerstag in der Sendung „Tagesgespräch“ auf Bayern 2, dass möglicherweise EHEC-Bakterien aus Rinderdärmen über die Gülle in Gewässer gelangt sein könnten - und dann als Gießwasser aufs Gemüse.

Klingt fast zu einfach, um wahr zu sein. Auch in der Vergangenheit wurde das Gemüse wie heute mit tierischem Dünger – Gülle und Mist – gedüngt. Nur sind solche gefährliche Übertragungen, wie sie aktuell grassieren, nicht bekannt geworden. Dies liegt daran, dass Gülle immer vor der Aussaat in den Boden ausgebracht und dann in den Boden eingearbeitet wird. Infolgedessen kann man davon ausgehen, dass das Wetter, die UV-Strahlen und natürlich die Bodenorganismen die Schadbakterien weitgehend unschädlich gemacht haben. Daneben müssen die Düngefäkalien monatelange gelagert werden, wobei das dabei entstehende Ammoniak-Milieu den Bakterien zu Leibe rückt. Zu guter letzt ist eine Kopfdüngung, also dass der Landwirt Mist oder Gülle direkt auf die heranwachsende Pflanze schüttet, in der Praxis völlig unüblich.

Doch was heißt nicht bekannt? Bereits 2002 haben amerikanische Wissenschaftler anhand von Laborversuchen nachgewiesen, dass Blattsalate die Ehec-Erreger sehr wohl über ihre Wurzeln aufnehmen können. Um dies nachzuweisen hatten die Wissenschaftler Salatpflanzen in stark mit Ehec kontaminierten Böden aufzogen und sie mit Ehec-verseuchtem Wasser gegossen. Und damit nicht genug. Der amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA ist ein Fall von 18 untersuchten Fällen bekannt, wo ein Gemüse – hier Spinat – mit EHEC Bakterien von einer gepferchten Rinderherde aus der Nachbarschaft per Wind kontaminiert wurde.

Natürlich klingt dies nach Verschwörungstheorien. Doch am Anfang der Gülle steht immer das Rind. Unstrittig ist, dass die Därme von Rindern und auch die von Menschen Erreger beherbergen, darunter auch Ehec-Bakterien. Werden die Wiederkäuer, die von Natur aus Raufutterverzehrer sind, also Gras und Heu fressen, mit Getreidesilage, wie Mais, Gerste gefüttert, so verändern sich damit natürlich auch die Verdauungsprozesse und die physiologischen Bedingungen zugunsten von Ehec.

Das ist bekannt. Bekannt ist auch – so Prof. Jürgen Heesemann im „Tagesgespräch“ des BR 2 - dass in den USA seit Jahren sechs Wochen vor der Schlachtung die Fütterung von Rindern von Maissilage auf Heu umgestellt werden muss. Eben wegen der Ehec-Bakterien, die in Folge der durch Maissilage erfolgten Übersäuerung in den Rindermägen gedeihen wie nichts Gutes.

Und an dieser Stelle wird es Zeit zu fragen, wie lange denn dieser Irrsinn noch weitergetrieben werden soll? Wir vergreifen uns an unseren Rindern, indem wir diese seit rund 50 Jahren in kaum fassbare Höhen hoch züchten. Lieferte ein Rind in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts rund 2.500 Liter Milch im Jahr, dann ist es heute um die 10.000 Liter. Und, wer mehr Milch produziert, der muss mehr fressen und damit mehr verdauen.

Ganz abgesehen davon, dass die Rinder gegenüber Krankheitserregern immer anfälliger werden. Somit ist der Einsatz von Antibiotika im Kuhstall in großem Stil vorprogrammiert. Und über die Gülle kommen die mittlerweile multiresistenten Keime ins Grundwasser und damit in den menschlichen Kreislauf. Eine krankhafte Spirale.

Ist nur der Landwirt ein erfolgreicher Unternehmer, der die von den Verbänden und deren Beratern in der betriebswirtschaftlichen Giftküche ermittelten Kennzahlen erfüllt? Wer sagt, dass nur der Landwirt erfolgreich wirtschaftet, der im Jahr die Menge X an Weizen, Gerste oder Raps anbaut? Oder dessen Kuh 10.000 Liter Milch pro Jahr liefert?

Diese Rechnung funktioniert nur, weil die Kosten für Umweltschäden, wie Boden- und Wasserverunreinigungen, und natürlich auch die Kosten, die im Zuge dieser hemmungslosen Produktion am menschlichen und tierischen Körper entstehen, bisher nicht erfasst werden. Die richtige Reaktion auf diesen Irrsinn ist, die Fütterung aller Tiere wieder artgerecht zu gestalten. D.h. nach den Richtlinien der Bio-Anbauverbände.

Klar, dies bedeutet natürlich, dass dann unser Fleisch und unser Gemüse nicht mehr in der bisherigen Masse und zum billigen Verkaufspreis produziert werden kann. Doch unter Berücksichtigung aller Kosten ist die artgerechte Haltung und nachhaltige Produktion billiger. Denn eines sollten wir nicht vergessen, letztendlich bezahlen wir nicht nur das Industriefleisch und selbiges Gemüse. Wir müssen auch für alle externen Kosten, u.a. die steigenden Gesundheitskosten und die Umweltfolgeschäden, aufkommen.

Wie bei der Atomenergie. Auch hier zahlt die Allgemeinheit die Zeche. Wir werden die Kosten für die Endlagerung tragen, ebenso wie die für mögliche Erkrankungen, Unfälle oder Anschläge. Auch wenn die Einrechnung der externen Kosten bedeutet, dass der Preis für ein Rindersteak um ein vielfaches höher ausfallen wird, so ist diese Art der Landwirtschaft gerechter und sinnvoller, als bisher. Zumindest stellt sich dann - über den Preis - öfter die Frage, ob wirklich immer Fleisch auf dem Teller liegen muß? Oder tropische Früchte oder Gemüsearten ?

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