Deutsche Bundespost, was ist nur aus dir geworden!

Mittwochvormittag, kurz vor 12 Uhr. Morgen ist Feiertag, Fronleichnam. Jetzt aber schnell zum Geldabheben noch in die Stadt zur Servicestelle der Post beim örtlichen Motorraddealer. Auf dem Weg dorthin fällt mir ein, dass die mit dem heutigen Tag in die Filiale eines örtlichen Supermarktes umgezogen ist.

Im Supermarkt angekommen finde ich auch ohne große Schwierigkeiten den neuen Schalter – kurz vor dem Eingangsbereich zu den Kassen. Und welch Glück, nur eine Kundin vor mir. Freudig krame ich meine EC-Karte aus der Brieftasche. Aufmerksam gespannt beobachte ich den neuen Schalter im Postbank Design. Auffallend ist hier lediglich ein großer, in einem blauen, flotten Sakko steckender Herr von der Postbank. Wie ein Bussard auf einem Zaunpfahl an einer stark befahrenen Landstraße hockend, blicken seine dunklen Augen aufmerksam, aber unruhig rollend, in die Runde. Die neben ihm stehende Mitarbeiterin des Supermarktes sowie der zufällig anwesende Filialleiter wirken als gefälliges Beiwerk. Verloren dreinschauend blicken die beiden mich an. Die Kundin vor mir hat ihre Briefmarken gekauft. Jetzt bin ich an der Reihe.

Lächelnd halte ich der netten Mitarbeiterin des Supermarktes, die normalerweise zwischen der Gemüsetheke und der Kasse pendelt, meine Scheckkarte hin und bitte um € 200,--. Sofort wird der Bussard aktiv, erhebt sich lautlos, aber heftig mit seinen Schwingen schlagend, in die Höhe. Er drängt mit seiner körperlichen Masse die Mitarbeiterin nun vollends in die Ecke.

„Heute und die nächsten 14 Tage gibt es kein Geld! Die Telekom hat uns hängen lassen. Sie müssen nach Lauterbach oder nach Alsfeld.“ „Wie bitte, was muss ich jetzt machen?“ fragte ich ungläubig. Mürrisch brummt der Bussard zurück: „Sie haben es doch gehört! Die Telekom hat es nicht fertig gebracht die Leitungen für die Datenübermittlung rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Sie können Ihr Geld aber auch bei der Post in Fulda oder in Hünfeld abholen.“

Das gibt es doch nicht! Diese unsägliche Privatisierung der ehemaligen Deutschen Bundespost. Nun Deutsche Post, Telekom und Postbank. Wenn Blicke töten könnten, wäre der alte Bussard auf der Stelle tot von seinem Zaunpfahl gefallen. Wütend und nach Luft schnappend packe ich meine Karte ein und fahre ins 15 km entfernte Hünfeld, wo ich um 12 Uhr 30 einen Termin bei meinem Versicherungsvertreter hatte.

Dort angekommen, erzähle ich ihm diese unglaubliche Geschichte. Der lacht nur und drückt mir das gewünschte Versicherungskennzeichen in die Hand. „Überweisen Sie mir gleich das Geld und gut ist es!“ Zuhause angekommen, setze ich mich an meinen Computer und überweise das Geld. Doch, wie war das noch einmal mit der Postbank. Die gehört seit Februar 2009 doch mehrheitlich zur Deutschen Bank. Wenn Ackermann diese Possen spitz bekommt!

Mittlerweile ist es kurz nach 14 Uhr. Unser Postbote, der mittlerweile bei der Deutschen Post DHL beschäftigt ist, lacht nur als er die Geschichte hört. „So sind sie, die neuen Zeiten!“, ist sein einziger Kommentar. Meine von der Arbeit zurückgekehrte bessere Hälfte lacht ebenfalls, geht zu ihrem Schreibtisch und kommt mit einem alten Auszahlungsbeleg der Postbank in der Hand zurück. „Das will ich jetzt selbst erleben!“. Spricht es, setzt sich ins Auto und fährt zur neuen Servicestelle. Dort wird sie von unserem Bussard mit dem gleichen Spruch empfang. Doch nun hält sie diesem Vogel den Auszahlungsschein unter die Nase und bittet mit dem Hinweis, dass es früher mit solch einem Schein auch möglich war sein Geld zu erhalten, um Auszahlung. Vor sich hinbrummelnd wendet er sich an die nette Mitarbeiterin des Supermarktes und weist sie an die Kontoführungsstelle anzurufen. Diese lässt sich von ihm nicht aus der Ruhe bringen und erhält prompt die Genehmigung zur Auszahlung. Freudestrahlend kehrt meine unerschrockene Frau nach Hause und wedelt mit den Scheinen.

Potzblitz, die vermeintlich alten Zöpfe der Postbank sind nicht die schlechtesten. Und – die Moral der Geschichte – so schnell werde ich mich nicht mehr ins Bockshorn jagen lassen.

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