Gänseblümchen im Schneeregen

Ein grässlicher Nachmittag. Grauer Himmel. Mal rauschen dicke Schneeflocken vom Himmel, mal dünne Regentropfen. Das alles bei Temperaturen um die 5 Grad. Ein typischer Nachmittag, an dem ich mich gerne mit einer kuscheligen Decke aufs bequeme Sofa verziehe. Oft mit einem Buch in der Hand oder mit einer passenden Musik im Ohr.

Stattdessen sitze ich vor dem Computer und zerbreche mir mein bisschen Hirn über eine scheinbare Lappalie, die mich nicht loslassen will. Es sind die kleinen unscheinbaren Gänseblümchen auf dem winterlichen Rasen. Noch dazu, dass diese kaum in dem mit vereinzelten Flockennestern verzierten Rasen zu erkennen sind. Und dennoch senden die Gänseblümchen mir heute Nachmittag Signale.

Ihre kleinen, weißen Blütenkelche sind zu festen Knöpfen verschlossen und trotzen, aufrecht auf ihren Stängeln stehend, dem winterlichen Mix aus Flocken und Regentropfen. Dabei streckten sie noch heute früh, als die Sonne für geraume Zeit den grauen Wolkenmix verdrängen konnte, ihre Blütenköpfe den wärmenden Strahlen entgegen. Was den Botaniker nicht verwundern wird, denn das gemeine Gänseblümchen dreht seinen Blütenkopf im Tagesverlauf mit der Sonne. So schließt sich bei Dunkelheit und Regen die Blüte, wo hingegen sie sich bei Tagesanbruch öffnet.

Doch jetzt im Winter, wenn draußen im Garten so manche Stelle kühl und karg wirkt, bin ich dankbar für jeden noch so kleinen Hinweis auf frisches Leben. Da sind sie wieder, die Signale. Die kleinen, unscheinbaren Gänseblümchen auf dem Rasen, die mit ihren gelben Röhrenblüten in der Mitte und den randständigen weißen Hüllenblätter selbst wie Sonnen wirken.

Vergessen ist das aktuelle Schmuddelwetter. Plötzlich bekomme ich Lust auf einen frischen Salat mit Gänseblümchen. Wobei Pellkartoffeln mit Frühlingsquark auch nicht zu verachten sind

Und plötzlich sehe ich mich wieder als Kind auf dem Rasen meiner Eltern hocken. Wie ich mit großen Augen, ganz ernst mit einem Gänseblümchen in der Hand, die weißen Hüllenblätter abzupfe und dabei ganz andächtig murmle: „Sie liebt mich; sie liebt mich nicht!“ Mit ihr war die Tochter unserer Nachbarin gemeint. Und wie gespannt war ich, als ich meinen Kindheitsschwarm dabei beobachtete, wie sie, von ihren Freundinnen umgeben, ihrerseits eine Handvoll Gänseblümchen zupfte. „Was macht sie jetzt damit?“ Sie widmete sich lediglich den gelben Röhrenblüten, warf sie in die Luft und versuchte sie mit dem Handrücken zu fangen. Ich weiß es noch, wie heute. 10 winzig kleine Blütchen blieben liegen. Oh je, dem nach wird sie 10 Kinder bekommen! Doch nicht wirklich. Jahrzehnte später habe ich erfahren, dass meine „Gänseliesel“ 2 Kinder bekommen hat.

In jedem Fall freue ich mich schon heute auf den kommenden Frühling. Wenn ich ab April bis in den August hinein frische Gänseblümchen auf unserem Rasen sammeln kann. Für Salate oder Quarkspeisen. Aber auch für meine Kräuterapotheke. So für einen Tee aus den Blättern des Gänseblümchens, der Appetit und Stoffwechsel anregt, die Verdauung fördert und durch seine krampfstillenden Fähigkeiten auch Husten lindern kann.



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