Vom Höcksken aufs Stöcksken

Pünktlich zum neuerlichen Wintereinbruch geht mir das Vogelfutter aus. Also notiere ich es auf meinem Einkaufszettel. Aber was ist nur in den Geschäften los? Bis auf wenige Packungen Weichfutter kann ich keines in den Regalen finden. In drei Läden heißt es übereinstimmend, dass die Saison für Vogelfutter nun aber wirklich vorbei ist. Schließlich steht der Frühling vor der Tür!

Na ja, aber warum bieten diese Geschäfte dann immer noch ausreichend Streusalz an? Dumme Frage: Schließlich ist eine der vornehmsten Pflichten eines ordentlichen Hausbesitzers oder Mieters das Schneeschieben auf der Gasse. Schließlich könnte ja ein Bürger im Schnee ausrutschen und sich die Gräten brechen! Und die armen Vögel? Die sollen sich an die Saison halten!

„Denkste Puppe!“ sage ich mir und werde schließlich doch noch bei den Genossen fündig. Aber die Frage, ob jetzt Mitte März das Füttern noch sinnvoll ist, will mir nicht aus dem Kopf gehen. Glaube ich Experten, wie denen vom NABU oder dem Landesbund für Vogelschutz Bayern, dann ist das winterliche Füttern ohnehin so überflüssig, wie ein Kropf. Denn über 90 Prozent der heimischen Vogelarten, vor allem die seltenen und bedrohten Arten, kommen gar nicht ans Futterhäuschen.

Entweder lieben sie andere Nahrung als Körner, Fettfutter und Samen, wie die Eulen, Greif- und Wasservögel, oder aber sie meiden menschliche Siedlungen. Von der Fütterung am Fensterbrett oder im Futterhäuschen auf der Veranda profitieren am Ende nur unter zehn Prozent der heimischen Vogelarten. Unterm Strich führt die Winterfütterung also dazu, dass die Meisen und Amseln wie im Paradies leben, während die wirklich bedrohten Arten weiterhin langsam aber sicher verschwinden. Gefüttert werden sollte nur, wenn die Schneedecke dauerhaft geschlossen ist und Frosttemperaturen mit unter minus fünf Grad Celsius herrschen. Soweit mein Höcksken. Zum Stöcksken, dem radikalen Gehölzschnitt in der Botanik.

Kaum taute die letzte geschlossene Schneedecke vor rund 2 Wochen weg, da holten einige Landwirte ihre unsäglichen Motorsägen heraus und rückten dem Gehölz an Feld- und Forstwegen auf die Pelle. Selbst vor den mittlerweile kurz vor der Blüte stehenden Weidenkätzchen und Haselnusssträuchern kannten sie kein Erbarmen. Ab damit! Und wenn schon ab, dann richtig tief unten, knapp über der Erde.

Wenige Tage später nach dieser Art der brachialen Flurpflege kam die Sonne für einige Stunden am Tag hervor. Natürlich schwärmten sofort die Bienen und Hummeln aus und begannen eins, zwei mit der Suche nach Pollen. Nur hingen die begehrten Kätzchen nicht wie sonst an den Stämmen, sondern lagerten auf riesigen Häufen zusammengeworfen auf der Erde. Schade, wo zu vergleichbaren Zeiten in den Jahren zuvor das Summen der Bienen in der Luft hing, klang es nun am Erdboden, als ob Drehkreisel im Gras brummten. Nun gut, wenigstens konnten sich die fleißigen Insekten fürs erste nach der harten Winterzeit stärken.

Was haben nun die Vögel mit den Bienen und Hummeln am Hut? Gar nichts, außer, dass sie unter der Acht- und Gedankenlosigkeit des Menschen leiden. Warum müssen im Herbst die Gärten winterfein abgeräumt werden? Warum können wir nicht Gartenstauden, Altgras oder Disteln im Herbst stehenlassen? Hierin überwintern viele Larven von Insekten. Sie sind Leckerbissen für Weichfresser, wie Rotkehlchen oder Zaunkönig, die hier die zum Überwintern notwendige Insektennahrung finden können. Oder für die Körnerfresser, wie Finken und Zeisige, die an den Samenständen picken können.

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Warum müssen alle Gehölze, die entlang irgendwelcher Feldwege stehen, gleich Soldaten in Formation stehen? Sind die Sträucher und Hecken nicht auch Brutstätten für Vögel? Oder sind ihre Blüten nicht auch Nahrungsquelle für die nützlichen Bienen und Hummeln?

Natürlich komme ich mit dieser Argumentation vom Hölzchen aufs Stöckchen. Schweife ich ab. Springe vom Saisonende des Vogelfutters zur brachialen Flurpflege. Natürlich sind diese Beobachtungen Nebensächlichkeiten. Aber in der Summe machen sie deutlich, dass Nachhaltigkeit im Kleinen, in der unmittelbaren Umgebung, beginnt und - bei Licht betrachtet – niemandem etwas abverlangt. Außer vielleicht sich von allgemeinen Ratschlägen oder Normen zu verabschieden.

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