Wilde Affenjagd durch die Nacht

Die Knochen bleischwer, der Geist träge. Zu nichts zu bewegen. Es war mal wieder eine unruhige Nacht. Was war da los? Die Affen!

Seit Wochen immer das gleiche Spiel. Irgendwann in der Nacht werde ich wach und dann beginnt der Zirkus. Immer wieder jagt eine Horde wilder Affen in meinem Kopf herum. Oder anders gesagt: Ein Gedanke nach dem anderen wechselt sich in meinem bisschen Hirn ab. Kaum habe ich den einen verjagt, da springt auch schon der nächste Störenfried zwischen meinen Synapsen herum.

Es ist wie verhext. Wiederholt atme ich tief ein und wieder aus. Ich lasse meinen Kopf schwer werden, lasse die Schwere von den jeweiligen Schultern abwärts bis in die Fingerspitzen gleiten. Einmal im Takt geht die Reise weiter über die Oberschenkel bis in die Fußspitzen. So langsam spüre ich, wie die Schwere sich im ganzen Körper ausbreitet.

Aber da schlägt plötzlich ein neuer Gedankenblitz in das scheinbar langsam zur Ruhe kommende Hirn ein. Und schon wieder geht der Zirkus von vorne los. Langsam komme ich mir wie ein grimmiger Affenfürst vor, der auf seinem Ausguck hoch oben im Blätterwald oder auf einem Dachgiebel sitzt und dabei, in Erwartung der ständigen Angriffe seiner immer größer werdenden Herausfordererschar, langsam aber sicher verzweifelt. Seine Niederlage, der Verlust seines Harems, ist vorprogrammiert. Alles ist angesichts der Masse der Herausforderer nur eine Frage der Zeit. So wird er immer rasender und damit auch verletzbarer.



Ein Blick auf den Wecker neben meinem Bett zeigt mir, dass schon wieder eine Stunde meiner Nachtruhe abgelaufen ist. Und, wie der Affenfürst sich von seinem Thron auf seine Herausforderer stürzt, jage ich meinem neuen Gedanken nach. Wieder jage ich der nächsten Herausforderung nach. Und wieder kämpfe ich gegen sie an. Ich beginne erneut tief ein- und auszuatmen und die Schwere in meinem Körper zirkulieren zu lassen.

Doch mein Affengeist ist in diesem Stadium der Herr im Ring. Offensichtlich versucht er die Wirklichkeit in den Griff zu bekommen. So als ob er in der Tiefe der Nacht die von mir über den Tag gefällten Entscheidungen ins Wanken bringen will. Dabei werde ich ganz aus dem Gleichgewicht gebracht. Denn der Affengeist fängt von neuem an meine Entscheidungen zu bewerten und sie in andere Schubladen zu packen. Da liege ich nun in meinem Bett und sehe nicht mehr durch. Der Affengeist lässt nicht locker. Er will immer etwas anderes.

Langsam habe ich den Dreh raus. Loslassen! Ich lerne diese nächtlichen Jagdszenen im Kopf als das zu sehen, was sie sind. Sie betreffen nie die Vergangenheit oder das Hier und Jetzt. Sie greifen immer in die Zukunft. Was wird morgen, übermorgen oder gar in einem Jahr sein? Je stärker ich mich damit auseinandersetze, je größer wird das mögliche Szenario in meinem Hirn. Ich will aber nur in aller Ruhe schlafen. Mit anderen Worten, ich will meinen inneren Frieden wieder finden. In der Echtzeit, in der Gegenwart.

Der Affengeist beginnt immer dann zu verlieren, wenn ich es in diesem unruhigen Zwischenstadium schaffe zu realisieren, dass alles, was in der Vergangenheit geschehen ist und sich in der Zukunft auswirken wird, nur über die Gegenwart führt. Jetzt liege ich hier in meinem Kahn, atme und darf hier liegen. Nichts ist falsch daran.

Langsam wird es dann still in meinem Inneren. Die Unruhe legt sich. Ich komme an, in der Gegenwart. Ich werde gelassener und mein Geist wird freier. Was wiederum dazu führt, dass ich langsam lerne nicht mehr ständig, von morgens bis abends, irgendwelche Urteile zu fällen oder Kommentare abzugeben. Ich lerne die Dinge auch einmal sein zu lassen. Ohne tobende Affenbande im Kopf.

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