ACTA – Das freie Spiel der Kräfte im Digitalen Zeitalter

Nachdem die bundesdeutsche Netzcommunity in den letzten Wochen immer lauter gegen ACTA - Anti-Counterfeiting (Gegen das Fälschen) Trade Agreement – wetterte, zieht am Freitag letzter Woche urplötzlich das Auswärtige Amt die bereits erteilte Weisung zur Unterzeichnung dieses Abkommens zurück, das sich gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen richtet.



Was bedeutet dieser zeitliche Aufschub? Nicht viel! Denn – so Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag - die Bundesregierung hält weiter an dem umstrittenen Urheberrechtsabkommen fest. Nach seinen Worten sei das Vertragswerk "notwendig und richtig". Alles eine Frage der Zeit? Nicht ganz, denn zugleich ist aus dem Justizministerium zu hören, dass man erst die am 27. Februar beginnenden Beratungen des Europäischen Parlamentes über ACTA abwarten solle. Denn, wenn hier das Abkommen scheitern sollte, dann habe sich in Berlin das leidige Problem ohnehin in Luft aufgelöst. Denkbar wäre aber auch die Variante, dass das Europaparlament ACTA dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorlegen könnte. Was wiederum einen Zeitgewinn von ein bis zwei Jahren bedeuteten würde.

Ein parlamentarisches Armutszeugnis. Denn über ACTA wird schon seit Jahren verhandelt. Erstmals wurde es 2006 auf dem G 8 Gipfels in St. Petersburg im Rahmen der Sicherheitsberatungen von Japan und den USA aus dem Hut gezaubert. Ab 2008 verhandelten Delegationen dieser beiden Länder weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit im stillen Kämmerlein u.a. mit Australien, Neuseeland, Mexiko, Marokko und der Europäischen Union bis ins Frühjahr 2011.

Jetzt kurz vor 12 Uhr kommt Licht ins Dunkel. Hilfreich ist da zu wissen, mit welchen Vorstellungen die zuständigen Minister der EU-Staaten in die Verhandlungen um ACTA getreten sind und aus welchen Köpfen sich die Verhandlungsdelegation der EU bei den Verhandlungen um ACTA zusammensetzt.

Und, wen wundert es, dass das französische Internetsperrgesetz, das umfassende und vor allem direkte Zugriffe auf vermeintliche Übeltäter gestattet, als Vorbild für das internationale Abkommen ACTA dient. Ein Schelm, wer da böses denkt! Es kommt noch besser, denn das nach Kapitel V noch einzurichtenden ACTA Komitee , das die Umsetzung, Durchführung und Weiterentwicklung des Abkommens prüft und – oh weh – von der Verwertungsindustrie dominiert wird, kann rechtsverbindliche Tatsachen, wie u.a. die Beschlagnahme oder gar Netzsperre, anordnen. Ein solcher Eingriff ist bisher der ordentlichen Gerichtsbarkeit eines jeden Mitgliedslandes vorbehalten.

Wenn, wie es sich bei ACTA zeigt, diese Art von undemokratische und intransparente Politik auf höchster Ebene Schule macht, dann können wir unsere nationalen Parlamente getrost einmotten. Der Bundestag wird dann nichts mehr zu kontrollieren haben. Diese Aufgabe übernimmt vielmehr ein vages aber vertraglich abgesichertes Gremium, wie das ACTA Komitee, indem neben einigen Regierungsvertretern vor allem aber Vertreter der Industrie sitzen. Was sich nun – in einigen Ohren – als Verschwörungstheorie anhören mag, ist traurige Realität. Es macht bei genauerem Hinsehen Sinn.

Denn – so die Weltorganisation für geistiges Eigentum – kurz WIPO - die meisten internationalen Patentanmeldungen kommen aus den USA. Auf dem zweiten Platz liegt Japan, gefolgt von Deutschland, Südkorea, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und China.

Wenn sich nun – wie 2006 in St. Petersburg geschehen - zwei Regierungen, nämlich die aus den USA und Japan, ein Abkommen, wie ACTA, auf den Weg bringen, dann haben sie natürlich die Zustimmung der anderen teilnehmenden Staaten in der Tasche. Streckt nun noch die Verwertungslobby in aller Ruhe und Abgeschiedenheit ihre Füße unter den Verhandlungstisch, dann haben wir das fetteste Dressing, das jeden Salat erschlägt.

Das Perfide an ACTA ist, dass sich die an diesem Abkommen beteiligten Regierungen auf so genannte internationale Vorgaben – siehe denen vom G 8 Gipfel in 2006 – berufen und, obwohl sie an dessen Ausarbeitung beteiligt waren, pünktlich zum Zeitpunkt der Ratifizierung behaupten, dass sie nun mit Ausarbeitung und Vorlage das Vertragswerk unterzeichnen müssen. Was angesichts der parlamentarischen Mehrheit der jeweiligen Regierung in den wenigsten Fällen ein Problem sein wird. Und schon ist ein Werk wie ACTA ohne Not und vor allem ohne parlamentarische Kontrolle in trockenen Tüchern.

Bleibt zu hoffen, dass zumindest das Europäische Parlament seine Aufgaben wahrnimmt und ACTA als das ablehnt, was es ist. Ein undemokratisches und intransparentes Abkommen.

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