Drei Flaschen Sprudel und ein Spiel

Dieser Tage begleitete ich unseren Jüngsten zu seinem ersten Spiel im Vereinsdress. Zwar trainiert er schon seit über einem halben Jahr im Verein, doch er kann - wegen seines Alters - offiziell erst ab der kommenden Saison in seiner Mannschaft eingesetzt werden. Umso größer war seine Freude, als sein Trainer am Vorabend des Spiels bei ihm anrief und ihn fragte, ob er nicht am nächsten Tag Zeit und Lust hätte. Was für eine überflüssige Frage! Natürlich wollte er.

Anderntags kamen wir, unser Jüngster und ich, sogar zehn Minuten vor dem verabredeten Termin zum Vereinsheim. Man kann ja nie wissen! Und so verkehrt war diese Vorsichtsmaßnahme meines Sohns auch nicht. Auf dem Parkplatz standen schon zwei Autos. Davor erblickten wir zwei in einen Gespräch vertiefte Frauen, während um sie herum 6 Jungs mit einem Ball beschäftigt waren. Kaum hatte ich unser Auto abgestellt, knallte auch schon die Beifahrertüre recht heftig ins Schloss. Weg war er!

Da stand ich nun in der Nähe von zwei Frauen, die noch immer lebhaft in ihr Gespräch verwickelt waren. So blickte ich mich um und begann tief in meinen Erinnerungen an meine Zeit in der Fußballjugend abzutauchen.

Damals Ende der Sechziger und Anfang der Siebziger Jahre fanden unsere Spiele immer am Wochenende statt. Damals wie heute wurden auch wir zu den Auswärtsspielen gefahren. Aber damals saßen zumeist unsere Väter am Steuer. In der Familienkutsche, Zweitwagen gab es ganz selten. Kein Wunder, denn zu unserer Zeit hatten die Mütter oft noch keinen Führerschein. Und wenn doch, dann fuhr dennoch das Familienoberhaupt seinen Sohn zu "unserem" Spiel. Was, wie in meinem Fall, meine Mutter nicht sonderlich beeindruckte. Denn dann konnte sie sich nachmittags endlich einmal ungestört im Garten auf den Liegestuhl legen oder die Beine ungestört auf der Hollywoodschaukel baumeln lassen.

So wie bei uns zuhause, ging es in fast allen fußballbegeisterten Familien zu. Samstag war Fußballtag. Am Nachmittag spielten die Kinder im Verein und ab 18 Uhr belagerten die großen und kleinen Männer im Wohnzimmer den einzigen Fernseher – es war die Zeit der Sportschau. Und wehe wir wurden dabei gestört. Selbst das Fernsehen unterbrach unseren Fußballhunger nicht mit unsäglichen Werbeblöcken.

Doch zurück ins Jahr 2011. Mittlerweile tauchte der Trainer mit zwei weiteren Vätern und dem restlichen Team auf dem Parkplatz vor dem Vereinsheim auf. Nach kurzer Begrüßung verteilten sich die Kinder auf die Autos und ab ging die Fahrt. Dort angekommen eilten die Jungs sofort in Richtung Umkleidekaninen und rannten kurze Zeit später in ihren Trikots gestriegelt und gebügelt auf das Fußballfeld. Ohne sich auch nur einmal in Richtung des mitgereisten Anhangs umzudrehen.

So schnell geht es, dachte ich mir. Eben noch in Gedanken an frühere Zeiten versunken und schon vergessen, dass es Wichtigeres für einen jugendlichen Spieler gibt, als sich nach seinen Eltern umzuschauen. Und kaum war der Ball an diesem drückend schwülen Nachmittag freigeben, da suchte ich auch schon den Blondschopf im schwarz rot gestreiften Dress. Mein Sohn, ein herrliches Bild. Nicht zu letzt auch, weil er – wie im richtigen Leben – nach jedem Spurt seine Hose, die immer auf Halbacht herunterhängt, hochziehen muss. Nach einer Weile gelang es mir mich von diesem Bild loszumachen und mich ganz auf das Spielgeschehen zu konzentrieren.

Die Gäste, also das Team meines Sohnes, kontrollierten recht schnell das Spiel und drängten immer stärker auf das Tor ihrer Gegner, einer reinen Mädchenmannschaft. Auch hier, wie auf dem Parkplatz beim Anblick der Mütter, stellte ich eine Veränderung meiner Wahrnehmung fest. Nämlich, dass die Mädchen im Alter meines Sohnes durch die Bank größer und viel stärker gebaut sind, als die Jungs in ihrem Alter. Mit anderen Worten, wie weit die jungen Damen heute entwickelt sind - im Vergleich zu den Jungs. Doch letzten Endes zählt nur das, was nach einer Stunde Spielzeit zählt – das Endergebnis. Und das fiel mit 0:4 für die Mannschaft, in der mein Sohn mitspielte, recht deutlich aus.

Kaum war der Schlusspfiff erklungen, da rannten auch schon einige Mütter und Väter der Heimmannschaft mit Sprudelflaschen in Richtung ihrer erschöpften Töchter. Da wurde mir auf einmal bewusst, dass auch die Kehlen unserer Kämpfer ausgetrocknet sein mussten. Sofort eilte ich in das Vereinsheim. Dort an der Theke erkannte man in mir den Auswärtigen, denn als es an das Bezahlen ging, wollten die Herren von mir – mit einem breiten Grinsen im Gesicht - € 9 für drei Flaschen Sprudel. Nachdem ich offensichtlich geschockt den Geldbeutel gezückt hatte, kam denn auch gleich die Entwarnung. „Lass mal stecken!“

Draußen angekommen sah ich auch schon in mitten seines Teams meinen sichtlich abgekämpften Sohn. Als erstes drückte ich ihm die kalten Flaschen auf dem Weg in die Kabinen unter die Arme. Nach ein paar Minuten kam der Trainer zu mir und meinte, dass dies nicht notwendig gewesen wäre. Seine Jungs bekommen vom Verein immer zwei Flaschen Sprudel mit auf den Weg. Dieser Spruch traf mich dann doch. Als ob zwei Flaschen an einem schwülheißen Nachmittag als Wegzehrung für mehr als 10 Kehlen ausreichen?

Auf jeden Fall beherzige ich das nächstes Mal die Aufforderung meiner Frau immer daran zu denken, dass unser Sohn genügend zu trinken in seine Sporttasche mit einpackt. Denn darauf zu bauen, dass Betreuer oder begleitende Eltern mitdenken, hat sich an diesem Nachmittag als ein Eigentor herausgestellt.

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