Ich habe die Schnauze voll - Adieu Bundesliga!

Seit ich auf meinen Füßen stehen und einem Fußball hinterher rennen kann, bin ich Fan des Karlsruher SC. Was angesichts der väterlichen blau-weißen Gene, die mir in die Wiege gelegt wurden, nicht verwundert. Mein Vater stand anfangs der Fünfziger Jahre bei Phoenix Karlsruhe in Oberligazeiten im Kasten.

So verfolgte ich im Schlepptau meines Vaters in den Sechziger und Siebziger Jahren viele Heimspiele des KSC im Wildparkstadion. Zuerst auf der Tribüne neben meinem Vater, inmitten seiner alten Spielerkameraden. Später natürlich auf den Stehplätzen. Klar litt ich unter dem ständigen Auf und Ab meiner Mannschaft. Wie ein Hund, denn ständig stieg der KSC auf und zwei Jahre später wieder mit Pauken und Trompeten ab.

Doch ein Sympathiewechsel in ein anderes, erfolgreicheres Lager, zu den Bayern oder Gladbach, kam mir nie in den Sinn. Warum auch, der Wildpark liegt um die Ecke, die Bratwurst schmeckte immer und wir wollten unseren KSC siegen sehen. Gemeinsam fluchten wir wie die Rohrspatzen und gemeinsam umarmten wir uns, im Normalleben wildfremde Leute, wenn unsere Mannschaft Tore schoss. Selbst als ich die Gegend um die badische Residenz in Richtung Berlin verließ, verfolgte ich aus der Ferne aufmerksam das Treiben um den Wildpark.



Als ich im Frühsommer 2010, mittlerweile in der osthessischen Diaspora lebend, im Internet eine Ankündigung eines Benefizspiels las, dessen Erlös der Familie von Raimund Krauth, einem ehemaligen Stürmer des KSC und der Frankfurter SG Eintracht zu Gute kommen sollte, war mir sofort klar, dass ich bei dieser Begegnung der Traditionself des KSC gegen die der SGE dabei sein musste.

Was für mich als ein Ausflug in selige Zeiten geplant war, endete in tiefem Frust. Kein Verantwortlicher des KSC, weder ein Mitglied des Vorstands noch der Sportliche Direktor, ließen sich während des Spiels sehen. Wohl aber die alten Recken, die früher auf dem Feld oder im Vorstand das schlingernde Schiff mehr oder weniger auf Kurs hielten. Wochen nach dieser Begegnung konnte ich lesen, dass der offizielle KSC nachlegen und zu einem späteren Zeitpunkt eine Begegnung zu Gunsten des ins Wachkoma gefallenen Raimund Krauth austragen werde.

Raimund Krauth ist am 22. November letzten Jahres gestorben. Seine Familie wartet noch heute auf diese Begegnung und damit auch auf die späte Anerkennung des KSC. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob andere Vereine auch so mit ihren ehemaligen Spielern und Fans umgehen, wie es der KSC getan hat? Ich meine ja. Denn je kommerzieller bzw. professioneller das Geschäft betrieben wird, je gnadenloser das Geschäftsgebaren der Vereine. Entlarvend der Ausspruch, der dem ehemaligen Präsidenten des KSC Paul Metzger zu geschrieben wird: „Wo kommen wir denn dahin, wenn wir jedem ehemaligen Spieler auch nur eine Eintrittskarte besorgen würden!“

Bis auf einige wenige Vereine in der 1. und 2. Liga, wie St. Pauli oder Union Berlin, geht es den meisten in erster Linie nur um eine saubere, berechenbare Stadionwelt mit hohem Freizeit- und Erlebniswert. Am liebsten haben sie den eierwollmilchsaugenden Zuschauer im Stadion. Die komplette Familie; Papa, Mama und die versammelte Kinderschar. Oder wenn dies nicht geht, am Pay-TV Bildschirm. Ein Blick in das unlängst von der Deutschen Fußball Liga - DFL – verabschiedete Konzeptpapier „Stadionerlebnis“ zeigt, worum des den Ligavereinen und dem DFB geht. Um die in diesem Papier recht hölzern formulierte „Qualitätssicherung und – verbesserung der Spiele in den Stadien der 1. und 2. Liga. Nimmt man den kurz danach veröffentlichen Report 2013 der DFL zur wirtschaftlichen Lage der Ligavereine zur Hilfe, dann wird klar, warum! Dieser Report weist für die 1. Liga ein Umsatz von rund € 2,1 Milliarden - plus 7,1 % und für die 2. Liga rund € 390 Millionen – plus 7,4 % gegenüber dem Vorjahr.

Diese in den letzten Jahren stetig nach oben weisende Entwicklung sehen die Verantwortlichen in den Vereinen und im DFB durch die angeblich gefährdete Sicherheitslage in den Stadien gefährdet. Stichwort: Bengalo-Feuerwerke und Hooligans. Das es diese in den Stadien gibt, ist nicht zu leugnen. Doch alles in einen Topf zu schmeißen, kräftig mit sicherheitspolitischen Parolen zu würzen und anschließend unter kräftiger Flamme ziehen zu lassen, ist der falsche Weg. Zumal auf Volksfesten, wie auf dem Münchner Oktoberfest, den Cannstadter Wasen, dem Hamburger Dom oder der Frankfurter Dippemess, die Sicherheitslage während der Festtage dort erheblich angespannter ist, als an Spieltagen der Bundesliga.

Im Stadion prallen heute Welten aufeinander, die so in dieser Form niemals unter einen Hut passen. Da finden wir den klassischen Zuschauer, wie er schon seit ewigen Zeiten bekannt ist. Männlich, zwischen zwanzig und sechzig Jahren alt. Ich zähle mich zu der Spezies, die auf den ersten Blick nicht als Fan zu erkennen ist. Daneben tummeln sich – ebenfalls meist männliche Gesellen - die mit dem entsprechenden Outfit – Trikots, Kutten und Schals –zumeist in größeren Gruppen ins Stadions ziehen und dort ihre Mannschaft mit allerlei Gesängen und eigenen Choreographien anfeuern. Mittlerweile prägen sie – die sich seit den Neunziger Jahren auch gerne selbst als Ultras bezeichnen - die Atmosphäre im Stadion. Laut, bunt, abwechselungsreich und emotionsgeladen. Diese Mixtur aus Stimmung und Spannung im Stadion führt letztendlich dazu, dass immer mehr Menschen daran teilnehmen möchten. Welch Wunder, dass nun immer mehr Frauen mit ihren Kindern ihre Männer bzw. Väter zum Spiel begleiten möchten. Mit anderen Worten: „Was Papa recht ist, ist uns billig!“ Soweit so gut.

Doch Fußball wurde in den letzten beiden Jahrzehnten nicht nur zum Familienevent, sondern in zunehmenden Maß auch zum gesellschaftlichen Minenfeld. Vor allem durch die ebenfalls seit den Neunziger Jahren in den Stadien immer stärker auftretenden Neonazis. Sie treten dort immer mehr aus dem Schatten der Ultras heraus und versuchen das Heft des Handelns in ihre Gewalt zu bekommen. Aachen, Dortmund und Düsseldorf sind keine Einzelfälle. Überall in den Stadien können aufmerksame Fans dies registrieren. Bleibt zu fragen: „Was tun die Vereine?

Nichts! Sie schauen dem Treiben auf den Rängen zu. Erst wenn es zu Übergriffen kommt und sie vom DFB zur Kasse gebeten werden, sehen sie Handlungsbedarf. Was tun Vereine für ihre Fans, für die Ultras? Was tun oder besser bieten die Profi-Vereine Frauen und Kinder? Nichts, außer dass sie ihre Stadien öffnen und dort ihre Mannschaften zur Erheiterung des dort versammelten Publikums auflaufen lassen. Brot und Spiele für das Volk!

Darauf habe ich keinen Bock mehr. Und wer glaubt, dass es in anderen Sportarten anders ist, der träumt! Spitzensport, egal ob Handball, Eishockey, Basketball oder Skispringen, ist ein Geschäft, wie jedes andere auch. Da bleib ich bei meinen Leisten und bin das Volk. Drum bleib ich den Bundesligen fern. Bleibe in der Region und schaue mir lieber, ein paar Klassen tiefer in der Gruppen- oder der Kreisoberliga, die eine oder andere Begegnung der niederen Art an. Dort schmeckt die Wurst und das Bier genauso gut oder schlecht wie in den oberen Ligen.

Zugegeben die Spiele dort sind biedere Hausmannskost im Vergleich mit ihren großen Brüdern in den Bundesligen. Aber dafür schmeckt die Atmosphäre auf dem Platz wieder nach Erde, wie in alten Zeiten. Und wenn mir der Sinn nach höherem, etwa nach kultivierter Spielkultur steht, dann kann ich immer noch die Glotze anschalten.

Natürlich interessiert mich deine Meinung!

Wie hältst du es mit der Bundesliga? Fühlst du dich noch von deinem Verein angesprochen? Oder bin ich deiner Meinung nach ein ewig Gestriger, der noch nicht mitbekommen hat, dass die guten, alten Zeiten längst vergangen sind?
herrplattezumstein - 12. Feb, 17:11

Ich habe die Schnauze voll - Adieu Bundesliga!


herrplattezumstein - 29. Mär, 14:14

Nachtrag

Auch wenn den Alemanen sportlich das Wasser bis zum Hals steht, heißt das nicht, dass sie kein Rückgrat haben. Gegen 107 Fans wurden jetzt Hausverbote erteilt. Sobald von der Polizei Münster weitere Beweise wegen der Ausschreitungen vor und im Münsteraner Stadion folgen, sollen weitere folgen. Siehe http://www.alemannia-aachen.de/aktuelles/nachrichten/details/Alemannia-verhaengt-107-Hausverbote-21928o/ vom 27.03.2013

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