Kastelorizo, Megisti, Meis und Castelrosso - Teil 2.)

4 Namen für eine griechische Insel in der Ägais. Zurück zum Anfang meiner Beschreibung – zu den Menschen, zu dem Ehepaar, das auf Kastelorizo ein Restaurant betreibt und zu dem türkischen Fischer, der von Kas aus mit seinem Boot herübertuckerte. Nach kurzer Zeit konnte ich das Ehepaar und über sie den türkischen Fischer ausfindig machen. Hierüber lernte ich sowohl ihre eigene Lebensgeschichten kennen, als auch die wechselvolle Geschichte der Insel Kastelorizo und ihrer heute unbewohnten 8 Nachbarinseln.

Kastelorizo war bereits in der Antike besiedelt. Es gehörte mit dem übrigen Griechenland zum Reich Alexanders des Großen, zum Römischen Reich und zum Byzantinischen Kaiserreich. Danach, 1306, wurde Kastelorizo durch Ritter des Johanniterordens aus dem 120 Kilometer entfernten Rhodos erobert. Diese bauten die Insel zu einer mächtigen Festung aus. Nach einer Überlieferung folgend soll der Name der Insel von der rötlichen Färbung des Gesteins herrühren, aus dem das Kastell erbaut wurde. Daher auch der griechische Namen „Kastelorizo“ oder der später folgende italienische Namen „Castelrosso“. Nach den Johannitern folgten die Sarazenen und Franken. 1552 fiel Kastelorizo an das Osmanische Reich, zu dem es bis zum Ende des Ersten Weltkrieges gehörte.

1922 kam die Insel mit über 20.000 Tausend Einwohner unter italienische Verwaltung. Da die Italiener – im Gegensatz zu den Osmanen - auf Kastelorizo - jetzt Castelrosso - als Kolonisten auftraten, wanderten in dieser Zeit ein sehr großer Teil der Bewohner der Insel nach Australien aus. Heute leben in Australien rund 10.000 Enkel und Urenkel der Inselbewohner und nennen sich hier „Kassies“.

Im Zweiten Weltkrieg versuchte Großbritanien Anfang 1941 die Insel unter italienischer Besatzung zu erobern. Erfoglos! Erst nach der Kapitualtion Italiens - im September 1943 – konnte Großbritannien Kastelorizo besetzen. Die verbleibenden Inselbewohner wurden zwangsweise evakuiert und über Zypern, Ägypten und Palästina verstreut. Im Sommer 1944 wurde Kastelorizo während eines deutschen Angriffs von den Briten aufgegeben. Bei diesem Rückzug fing ein Munitionslager Feuer. Die Explosion zerstörte mehr als die Hälfte der Häuser auf der Insel.

Mit dem Kriegsende 1945 gehörte Kastelorizo nun zu Griechenland. Rund 300 der zuvor von den Briten umgesiedelten insgesamt 2000 Bewohner wollten noch im Oktober desselben Jahres auf die Insel zurückkehren. Jedoch kamen auf der Überfahrt 35 Menschen bei einem Feuer, das auf ihrem Schiff aus ungeklärter Ursache ausbrach, ums Leben. Doch damit nicht genug. Als die Überlebenden Kastelorizo erreichten, fanden sie ihre Häuser entweder durch die Explosion im Jahr 1944 zerstört vor oder aber ihre Anwesen waren vollständig geplündert. Daraufhin entschlossen sich die meisten der Menschen von Kastelorizo zur Auswanderung – nach Australien oder in die USA.

Nicht jedoch der Gastwirt, der mit seinen Eltern als Kleinkind nach Palästina zwangsweise umgesiedelt wurde. Sie konnten von dort erst 1949 auf die Insel zurückkehren und dort sich mühsam eine kleine bescheidene Existenz als Fischer und später als Gastwirt aufbauen. Später lernte er hier auf der Insel seine Frau kennen, deren Großeltern seit Generationen auf dem heutigen türkischen Festland lebten. 1922 mußten diese zusammen mit tausenden griechischen Familien nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und einer gleichzeitig fehlgeschlagenen griechischen Invasion ihre Häuser, Felder oder Geschäfte in Richtung Griechenland verlassen. Oberbefehlshaber der türkischen Truppen war kein geringerer als Mustafa Kemal, dem später das türkische Parlament den Nachnamen „Atatürk – Vater der Türken“ verlieh.

An dieser Stelle wird es Zeit den türkischen Fischer zu erwähnen, der fast jeden Tag mit seinem kleinen Fischerboot von Kas die drei Kilometer übers Meer nach Kastelorizo herübertuckerte und das griechische Ehepaar in ihrer Taverne besuchte. Dann und wann brachte er Ausflugsgäste, zumeist aus Deutschland oder Großbritannien, mit. Aber zumeist versorgte er die Familie mit frisch gefangenen Fischen und natürlich mit frisch geernteten Lebensmitteln, wie Salaten, Tomaten, Zucchini, Auberginen, Fenchel und allerlei Kräutern, die auf Kastelorizo nicht immer und nicht zu jeder Gelegenheit zu erhalten sind.

Man kannte sich und vertraute einander. Auf diesen Säulen ruhte der kleine illegale Grenzverkehr im Jahre 1996. So tragfähig, dass seit 2007 offiziell ein größeres Schiff, die „Meis Express“, zwischen dem türkischen Kas und dem griechischen Kastelorizo verkehrt. Sie bringt heute, wie vor 14 Jahren der Fischer, Touristen von Kastelorizo nach Kas, die von hier aus mehrtägige Ausflüge in die Türkei, zumeist an Orte der griechischen Antike, unternehmen möchten. Umgekehrt kommen viele Tagesgäste aus Kaş, um ihr türkisches Touristenvisum wieder auf der Rückkehr für 90 Tage verlängern zu lassen.

Damals genoß ich für meinen Teil die Überfahrt nach Kas und wieder zurück auf die Insel in vollen Zügen. Denn was hatte ich im fernen Deutschland so alles von den ständigen Reibereien beider Staaten in der Ägais gehört. Und jetzt tuckerte ich gemächlich mit einem kleinen Fischerboot von einem zum anderen. Damals, im Jahr 1996, war die Ein- und Ausreise in die Türkei von Griechenland und in umgekehrter Richtung offiziell nicht möglich. Aber es scherte sich auch niemand einen feuchten Kehricht darum. So verlebte ich einen interessanten, lebhaften Nachmittag auf dem Markt in Kas, trank dabei viel Tee und genoß dazu die türkischen Versionen meiner geliebten griechischen Süßigkeiten. Am späten Nachmittag tuckerte mich dann mein Fischer wieder nach Meis zurück, wie die Türken Kastelorizo nennen. An der Hafenmole von Megisti, wie die Griechen ihre Insel auch noch nennen, angekommen, erwartete mich schon der Sohn des griechischen Wirtes.

Dieser Tag zeigte mir, dass Türken wie Griechen sich mit der komplizierten politischen Lage arrangiert haben und die Bevölkerung beider Nationen schon längst auf ein friedliches Miteinander bauen. Nicht zuletzt auch, weil nur durch ein friedliches Miteinander der Tourismus in beiden Gebiete gedeihen kann.

Warum ich bisher Kastelorizo nur ein Mal besucht habe? Immer kam etwas anderes dazwischen. Mal die Arbeit, mal die Kinder, mal etwas anderes. Erst die griechische Währungskrise und die damit verbundene Hetze in den europäischen Medien, ließen mich wieder an die wunderbaren 10 Tage auf Kastelorizo denken. Hier wurde ich, neben der Gastfreundschaft, mit einer Offenheit und Vertrautheit beschenkt, wie ich sie hier in Europa nicht mehr für möglich gehalten habe. Heute, noch mitten im Schreiben begriffen, bin ich mir sicher geworden, dass der nächste Urlaub uns in die Ägais, auf Kastelorizo, führen wird.

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