Fassungslos

"Was gesagt werden muß" hat Günter Grass aus seiner Sicht am vergangenen Mittwoch geschrieben. Seither vergeht kaum ein Tag, an dem er nicht rhetorische Prügel von allen Seiten einstecken muss. Da Günter Grass kein Säulenheiliger und sich der Kraft seiner Worte bewusst ist, sollte der Herr Platte zum Stein seine Feiertage genießen und die Finger da lassen, wo sie hingehören. Am Kochlöffel!

Doch mir vergeht von Tag zu Tag immer mehr der Appetit. Heute Morgen hörte ich in den ersten Nachrichten, dass ein gewisser Herr Guido Westerwelle weiß, worum es im wirklichen Leben, in seiner großen weiten Welt der Diplomatie, geht. Nämlich darum, dass es nicht geistreich ist, Israel und Iran auf eine gleiche moralische Stufe zu stellen. Dies – so Westerwelle - sei absurd.

Ja, Moment, Herr Außenminister! Eine atomare Bedrohung, bleibt eine atomare Bedrohung. So ist in dem Gedicht die Rede davon, dass der Staat Israel über ein Arsenal von Atomwaffen verfügt und diese auch – mit Hilfe der bereits gelieferten und in Zukunft noch zuliefernden deutschen U-Boote – gegen die Islamische Republik Iran, die lediglich über eine Atomanlage verfügt, einsetzen kann. Dieses Horrorszenario kann nur – so Grass am Ende seines Gedichtes – zur Ruhe kommen, wenn beide Staaten, Iran wie Israel, durch eine internationale Instanz an die Kandare genommen werden.

Die von Guido Westerwelle bemühte moralische Gleichsetzung der Teheraner mit der Jeruslamer Regierung, wirft vielmehr Fragen nach der Moral auf, die in den letzten Jahren Einzug in die deutschen Politik Einzug gehalten hat. Frei nach dem Motto: Wer nicht unsere Sprache spricht, also wem unsere westlichen Werte fremd sind, den kennen wir nicht bzw. der ist unser Feind.

Wie leicht dadurch die bundesdeutsche Politik auch von befreundeten Regierungen, wie der israelischen, auszurechnen ist, geht aus diesem Artikel hervor, der in der israelischen, liberalen Tageszeitung „Haaretz“ am 25.03.2012 erschien. Der Autor ist Korrespondent in Berlin.

Welche Bedeutung der Lieferung der deutschen U-Boote in Israel beigemessen wird, lässt sich auch heute in der „Haaretz“ in einem Beitrag über die israelische Reaktionen über das Grass´sche Gedicht ablesen.

Dort heißt es im letzten Satz: Es scheint, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Gefahr besteht, dass die von Berlin genehmigten deutsche Atom-U-Boote, die Israel bestellt hat, einen U-Turn machen werden. Also, dass Berlin auf jeden Fall liefern wird.

Auffallend unter den israelischen Reaktionen, ist – im krassen Gegensatz zu den bundesdeutschen – dass alle Medien eine reale, unmittelbare Kriegsgefahr im Nahen Osten spüren.

In Deutschland hingegen wird - in den meisten Tageszeitungen, im Radio und Fernsehen – die Kriegsgefahr bis zur Undeutlichkeit weich gezeichnet. Ein wichtiger Moment in der Kriegsvorbereitung. Eine mögliche Kriegsgefahr geht hier – wenn überhaupt - immer nur vom Teufel im Iran aus. Kein Wort wird darüber verloren, dass der - aus demokratischer Sicht - zu Recht verhasste Präsident der Islamischen Republik Iran mit dem Rücken zur Wand steht. Auf der einen Seite droht er im Nahen Osten – siehe Syrien – immer stärker von den Saudis und den Emiraten aufs Korn genommen zu werden, auf der anderen in Sachen Kernenergie vom Westen. Er kann momentan machen, was er will. Immer läuft er Gefahr die berüchtigte A… Karte zu ziehen.

Die eigentliche Aufgabe der bundesdeutschen Medien wäre es, den vermeintlichen Brandgeruch aus dem Nahen Osten, den Günter Grass in seiner Nase deutlich wittert, aufzunehmen und der Öffentlichkeit die drohende Kriegsgefahr nicht vorzuenthalten. Und zwar rücksichtslos. Auch dann, wenn dies zu einem Perspektivwechsel der bundesdeutschen Politik führen muß. Der Iran lässt sich – so der Nahost Experte Michael Lüders am 20.03.2012 auf tagesschau.de – wirtschaftlich nicht in Grund und Boden sanktionieren. Lüders erstellt u.a. Fachgutachten für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Ebenso wenig, wie sich der künftige Umgang mit dem Staat Israel weiterhin auf dem gegenwärtigen Stand des bedingungslosen Unterstützens beschränken lässt. Nur Abnicken auf Grund der unauslöschbaren Schuld, die der deutsche Staat auf sich geladen hat, wird – auch aus Verpflichtung den Opfern und derer Nachkommen gegenüber – nur in eine Sackgasse führen. Wenn die halbe Welt anfängt zu brennen, dann wird diese Einsicht allerdings zu spät sein!

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