Kommt er jetzt oder ist er schon da?

Dies fragte mich heute früh der Postbote lächelnd, als er mir die Post aus dem Auto reichte. Ja, wie sieht es aus? Da kommt mir Berthold Brecht mit einem kleinen Gedicht über den Frühling plötzlich in den Sinn

Wach auf, du Christ!
Der Schnee schmilzt weg. Die Toten ruhn.
Und was noch nicht gestorben ist,
Das macht sich auf die Socken nun.

Und so mache ich mich, mit meiner Dackeline an der Seite, auf zur morgendlichen Runde. Kaum lassen wir die letzten Häuser hinter uns, da kommen wir an zahlreichen Haselnusssträuchern vorbei, die nun anfangen zu blühen. Jetzt, da die Sonne noch von zahlreichen Wolken verdeckt wird, kann ich nur hoffen, dass der Wind etwas stärker wird und die mich störenden Ansammlungen am Himmel vertreiben kann. Dann wird wieder ein Brummen und Summen in der sich schlagartig erwärmenden Luft liegen. Wie aus dem Nichts werden sich die Bienen auf die blühenden Haselnusssträucher stürzen und sich über die Pollen dieses Frühblühers hermachen.

Aber im Moment ist es noch reichlich kalt. Doch davon lassen sich die Vögel ihren Morgen nicht verderben. Allen voran, die putzmunteren Sperlinge. Sie jagen, wie eine Horde wilder Affen, in einer Gruppe heftig piepsend durch die Sträucher und Hecken. So als ob sie mir zeigen wollen, dass sie heute wirklich auf den Putz hauen möchten. Der Frühling kommt und mit ihm der Duft aus Blumenkelchen!



Wobei die Schneeglöckchen nicht erst seit heute blühen und die ersten Blütenkelche der Krokusse sich zu öffnen beginnen. Genauso, wie vor rund zwei Wochen die ersten Kraniche hoch oben am Himmel über unser Dorf zogen. In jedem Jahr sind es immer wieder ergreifende Momente, wenn die ersten Kranichschwärme in ihrer charakteristischen V-Formation auf ihrem Zug aus den südlichen Winterquartieren in Richtung Norden mit lauten Trompetenstößen ihre Rückkehr ankündigen. Bis Anfang April werden wir noch hoffentlich oft diese Botschaften des herannahenden Frühlings aus der Luft hören. Naturfreunde aus Ober- und Mittelhessen, die an der Hauptroute der in Richtung Ostsee ziehenden Kraniche liegen, können ihre Beobachtungen beim NABU melden.

Wie ich mir die letzten Tage und Wochen im Geist auf der Suche nach Frühlingsspuren vorbeiziehen lasse, komme ich mit meiner Dackeline zu einem kleinen Birkenwäldchen. Und jetzt spüre ich, mit dem so ersehnten stärker aufkommenden Wind, den Frühling. In Gestalt der Birken. Auf einmal spüre ich mit jedem Luftzug, wie Leben in die dünnen, noch unbelaubten Äste der Birken kommt. Es ist kein richtiges Tosen, kein Brausen, der durch die Birken jagt und die Blätter rascheln läßt. Der Wind ergreift von ihnen vielmehr zart Besitz und lässt ihr filigranes Geäst, das so genannte Birkenreisig, aus denen früher Besen gemacht wurden, stetig erzittern.

Wie ich die hoch aufgeschossenen, schlanken Stämme betrachte, fällt mir auf, dass die Borke jeder einzelnen Birke nun – mit Einsetzen des Frühlings - wieder stärker leuchtet. Es kommt mir vielleicht nur so vor, aber die Borke, die äußerste Schicht des Baumes, scheint in weißem Glanz zu erstrahlen. Ihre dunkeln Farbanteile, von fast schwarz über dunkel zu hell braun, werden blasser und das erstarkende Weiß lässt die Birke wieder aus der Ferne deutlich sichtbar erscheinen.

Wen wundert es, dass die Birke in Zeiten ohne elektrisches Licht wegen ihrer hellen Borke, die in der Dunkelheit sehr gut erkennbar ist, als „Baum des Schutzes“ an häufig genutzten Alleenkreuzungen und an Reisewegen gepflanzt wurde. Die Birke als Straßenmarkierung und damit als vorbeugender Unfallschutz.

Nicht zu vergessen die Birke als Maienbaum auf dem Dorfplatz. Dieses Brauchtum ist auf den germanischen und slawischen Volksglauben zurückzuführen. Denn die Birke war der Göttin Freya, der Schutzgöttin der Familie und Ehe, geweiht. Mit dem Aufstellen des Maibaums aus dem Wald wurde der erwachende Frühling in das Dorf geholt. Noch heute „stecken“ Junggesellen in einigen Regionen ihrem Augenstern einen mehr oder großen „Mai“. Wie groß dabei der „Mai“ ausfällt, ist dem Einfaltsreichtum des Mannes vorbehalten. Der eine stellt seinem Schwarm eine mit Bändern oder Krepppapier geschmückte Birke vors Haus, der andere befestigt sein ebenfalls geschmückten Birkenzweig oder –ast am Fenster seiner Auserwählten.

Aber bis zum Wonnemonat Mai sind noch ein paar Wochen hin. Und mir bleiben noch ein paar Tassen Kräutertee aus meinem Vorrat an getrockneten Birkenblätter, die ich wegen ihrer harntreibenden und antibakterieller Wirkung sehr schätze. Pflückzeit für die Blattknospen ist der März und für die Birkenblätter der Mai.

Zum Schluss noch ein kleiner Spritzer Wehmut

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