MÄNNERFREUNDSCHAFT

Männer neigen dazu, Männerfreundschaften eine besonders hohe Qualität zu bescheinigen: weil sie angeblich besonders dauerhaft sind und weil sie ohne viele Worte auskommen. Sowohl die Dauer wie auch die Wortlosigkeit sind in Männeraugen Anzeichen von starker emotionaler Bindung.

Tatsächlich sind Männerfreundschaften nach meiner Erfahrung aus einem besonderen Stoff und unterscheiden sich deutlich von Freundschaften unter Frauen. Aber nicht aus oben angegebenen Gründen, sondern weil sie einen anstrengenden Spagat versuchen. Den Spagat zwischen dem Bedürfnis nach Nähe und der Angst vor Nähe. Dieser innere Zwiespalt verleiht den Qualitätsmerkmalen Dauer und Wortarmut ihre besondere Prägung. Beginnen wir mit der Wortarmut.

Ja, es gibt tatsächlich viele Männer die von sich behaupten Freunde zu sein, obwohl sie noch nie ein persönliches Wort miteinander gewechselt haben. Persönliche Worte über ihre Hoffnungen und Ängste oder über große und kleine Schwächen. Stattdessen haben diese Männer schon unheimlich viel zusammen erlebt, viel zusammen gemacht und das ein oder andere Bierchen miteinander getrunken. Nicht dass wir uns missverstehen: dabei haben sie natürlich auch miteinander geredet. Über Fußball, über Politik, über Frauen und viele andere wichtige Männerthemen. Dabei war von Wortlosigkeit oft gar nichts zu spüren. Wortkarg werden Männer meist erst wenn ans „Eingemachte“ geht.

Und wie sieht es mit dem Qualitätsmerkmal „Haltbarkeit“ aus? Alte Freunde oder gar Jugendfreunde haben unter Männern eine herausragende Stellung. Denn wenn man viele Jahre miteinander verbracht hat, dann hat man viel zusammen erlebt und deshalb viel Verbindendes. Und je mehr Verbindendes, umso enger die Freundschaft, so die durchaus richtige Logik. Wie lebendig die Beziehung zu den alten Freunden noch ist, danach wird dabei sicherheitshalber nicht gefragt. Denn die Basis der Alt-Freundschaften ist ja nicht die gemeinsame Gegenwart, sondern die gemeinsame Vergangenheit und je weiter diese Vergangenheit zurückreicht, umso fester ist diese Basis.

Bestes Beispiel sind viele Klassentreffen: zwar sind die, die gekommen sind schon über 50 und die Schulzeit liegt schon 30 Jahre zurück, aber alle schwelgen nur zu gerne in Erinnerungen. Aber eben auch nur in Erinnerungen, in denen die Gemeinsamkeiten überwogen haben – zumindest wird beim Klassentreffen einvernehmlich an diesem Ideal gestrickt. Neuere innere und äußere Entwicklungen bei den ehemaligen Klassenkameraden, die diese gemeinsame Basis gefährden könnten, werden sicherheitshalber ausgeblendet. Denn Entwicklungen können Menschen voneinander entfernen und alte Bindungen stören oder sogar zerstören. Und genau deshalb drehen sich Männergespräche bei Klassentreffen meist um eine heroisierte gemeinsame Vergangenheit und am Tresen um relativ „ungefährliche“ Themen wie Fußball, Frauen oder Fernsehen.

Fazit: Die Kriterien „Dauer“ und „Wortlosigkeit“ sagen nichts über die Qualität einer Männerfreundschaft. Entscheidend ist nicht wie viel oder wie wenig in einer Freundschaft gesprochen wird, sondern über was gesprochen wird. Und auch wie lang oder wie kurz die Freundschaft besteht ist nicht ausschlaggebend, sondern allein wie lebendig sie ist.

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