Tahirplatz bleibt nicht still

Heute vor einem Jahr zogen Tausende Demonstranten quer durch Kairo auf den Tahirplatz. Dies war der Auftakt des Sturzes des ägyptischen Diktators Muhammad Husni Mubarak, der mit seinem Clan und dem ihm treu ergebenen Militär das Land dreißig Jahre mit eiserner Faust regierte.



Nach drei Wochen heftigster Auseinandersetzungen in Kairo, Alexandria, Suez und anderen ägyptischen Städten kapitulierte das System Mubarak vor der Gewalt auf der Straße. Nicht zuletzt auch, weil das Militär – unter dem Eindruck der Kämpfe um den Tahirplatz – erklärte, dass kein Soldat auf Demonstranten schießen werde.

Inzwischen haben freie Wahlen stattgefunden: Die einst verbotenen Muslimbrüder sind der große Sieger. Frauen, Christen und Revolutionäre sind kaum im neuen Parlament vertreten. Die Mehrheit der Menschen, die damals rund um den Tahirplatz und anderen Zentren des ägyptischen Aufbegehrens sich erhoben haben, empfindet das als eine große Enttäuschung.

Der Militärrat, einst die Stütze des Mubarak Regimes, regiert nach dem Sturz ihres ehemaligen Oberbefehlshabers das Land aber weiter. Nach Meinung vieler Aktivisten kann dies nicht sein. Sie fordern, dass der ägyptische Militärrat seine Koffer packen und gehen muss. Nur dann wird die ägyptische Revolution erfolgreich sein.

Der Militärrat kündigte nun an, dass die seit 30 Jahren bestehenden Notstandsgesetze außer Kraft gesetzt werden. Aber ist dieser damit auch automatisch vom Tisch? Außerdem wurde der 25. Januar zum Feiertag erklärt. Feierlaune herrscht in Ägypten auf keinen Fall.

Gestern las ich in der Süddeutschen einen Stimmungsbericht aus Kairo. Und da war er wieder der Funke, der arabische, der auch mich vor einem Jahr erfasste. Klar weiß ich um die politische Bedeutung Ägyptens. Klar, weiß ich wessen Geisteskind ein Militär wie Muhammad Husni Mubarak ist und wer die vor ihm regierenden Generäle Saddat und Nasser waren. Klar weiß ich, um die Bedeutung des Systems Mubarak für den Westen. Aber was weiß ich über die Menschen, die in diesem Land leben? So gut wie nichts!

Umso mehr freue ich mich über solche Stimmungsberichte, wie in der Süddeutschen. Oder den vom 13.01.2012 in der LE MONDE-diplomatique. Hier wurde über den Kampf von Fußballfans der beiden Kairoer Klubs Al Alhi und Zamalek Seite an Seite mit den Demonstranten auf dem Tahirplatz berichtet.

Eine Revolution ist kein Spiel. Hier wird nicht nur demonstriert, hier wird gekämpft, geblutet und gestorben. Um so mehr haben die Menschen, die für ihre Sache aufstehen und für die sie bis zur letzten Konsequenz einstehen, es verdient, dass man ihnen zuhört und sich mit ihren Zielen auseinandersetzt.

Im Zeichen der elektronischen Medienvielfalt darf es keine Ausflüchte wegen angeblich fehlender Informationsquellen geben. Ich muss nur meine Augen und Ohren offen halten.

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